Schulgemeinschaft während Corona - wie geht das?

Es ist der Sommer nach einem weiteren Schuljahr geprägt durch Corona. Schüler und Schülerinnen (= SuS), Lehrer und Lehrerinnen (=LuL), Eltern und Betreuungspersonen haben die Herausforderungen in allen Facetten miterlebt. Mag.a Verena Schuster-Schedlberger ist eine Stimme aus dem vielfältigen Universum „Schule“ und teilt mit uns Eindrücke, Herausforderungen, Errungenschaften und wie sie auf die Idee kam, mich um einen Workshop an ihrer Schule zum Thema „Selbstfürsorge & Selbstwirksamkeit“ einzuladen. Lesen Sie mehr!

 

Interview mit Mag.a Verena Schuster-SchedlbergerDirektorin Verena Schuster-Schedlberger Europagymnasium vom Guten Hirten Baumgartenberg

Direktorin und Professorin für Mathematik & Physik am Europagymnasium vom Guten Hirten Baumgartenberg

SHP: Wie haben Sie als Direktorin, also Leiterin einer Schulgemeinschaft, das abgelaufene Schuljahr erlebt?

VSS: Das abgelaufene Schuljahr war sehr fordernd und durch große Ungewissheit und ständig neue Herausforderungen geprägt. Oft musste spontan reagiert und der Kurs korrigiert werden.

Die Informationen seitens des Bundesministeriums bzw. der Bildungsdirektionen kamen teilweise sehr bzw. zu spät. Somit war es sehr wichtig, Ruhe zu bewahren und souverän zu handeln. Vor allem war in diesem Schuljahr die ständige Kommunikation mit Schülerinnen und Schülern, Eltern und Kollegium sehr wesentlich und hilfreich, da zum Teil große Unsicherheit und Sorge bestanden.

Das Vertrauen, dass wir uns trotz der widrigen Umstände um die Sozial- und Wissenskompetenzen der uns anvertrauten SuS bestens bemühen, musste aufgebaut werden, da durch den teilweise herrschenden Distance Unterricht die Art des Unterrichtens umgestellt werden musste und die SuS in ihrer Selbstständigkeit sehr gefordert wurden. Ich traue mir aber zu behaupten, dass wir das in diesem Schuljahr zum Großteil sehr gut geschafft haben.

SHP: Wenn Sie sich jetzt auf den Sessel ihrer Kollegen, LuL, dann von SuS und schließlich jenen der Eltern setzen, was denken Sie war jeweils die größte Hilfe dieses Schuljahr zu bewältigen?

VSS: Insgesamt gesehen war der Zusammenhalt der Schulgemeinschaft ein wesentlicher Faktor. Das gegenseitige Vertrauen, das Bemühen von allen Seiten und die Offenheit, sich der völlig neuen Situation zu stellen, waren wesentliche Voraussetzungen, dass wir gut durch dieses Jahr gekommen sind.
Gemeinsam haben wir als Schulgemeinschaft die neuen Herausforderungen angenommen und uns ständig überlegt, wie wir das beste aus der Situation machen können. Wir haben viel kommuniziert und evaluiert und unsere Unterrichtskonzepte permanent weiterentwickelt und den entsprechenden Situationen angepasst. Unterricht im Schichtbetrieb, daneben Hybridunterricht für jene SuS, die in Quarantäne waren und daneben die Betreuung zu organisieren, konnte nur durch sehr gute Organisation und Aufteilung der einzelnen Aufgaben, sowie verantwortungsbewusste Umsetzung, passieren.

SHP: Wir zwei sind fast zufällig zum scheinbar richtigen Zeitpunkt aufeinander gestoßen, wie waren Ihre Gedanken dazu?

VSS: Seitens der Schule konnten wir beobachten, dass unsere SuS sich die Wissenskompetenzen sehr gut aneignen konnten und hier keine Lücken im vermittelten Lehrstoff entstanden. Allerding litten die sozialen Kompetenzen durch das Distance Learning bzw. den Schichtbetrieb.

Die Einteilung in Gruppe A und B mit wechselnder Anwesenheit ermöglichte nicht immer den gewünschten und so wichtigen Austausch aller SuS einer Klasse untereinander.

Gerade die Gruppe der ca. 16-Jährigen hatte teilweise große Schwierigkeiten mit dieser vorherrschenden Situation. Sie haben sich im Jahr zuvor zu einer neuen Klassengemeinschaft formiert und haben noch Zeit um sich auf die Reifeprüfung / den Schulabschluss zu kümmern. Sie sind in einem Alter, in dem sie die Welt kennenlernen möchten. Sie möchten Ausgehen, etwas erleben, die Zeit genießen und sehen noch nicht das schulische Ziel eines Abschlusses im Vordergrund. Nun mussten sie sich Großteiles allein in ihren vier Wänden aufhalten. Das Gefühl, etwas zu versäumen, etwas zu verpassen kam bei so einigen auf.

Die Eltern sind in dieser Altersgruppe mit Sicherheit nicht immer die richtigen Ansprechpersonen. Man will mit Gleichaltrigen kommunizieren und etwas erleben, aber genau das war nicht möglich. Manchen ist diese Situation daher zunehmend schwergefallen.

Genau zu diesem Zeitpunkt, wo wir in der Schule überlegten, wie wir den SuS hier helfen können, kam das Angebot und der Hinweis auf Ihre Praxis. Mein erster Gedanke war demnach, das könnte passen, jemand Außenstehender, der sich die Anliegen anhört und Hilfestellung geben kann, könnte hier hilfreich sein.

Ich glaube, dass allein das gemeinsame Gespräch, das „sich öffnen“ und die Tatsache, dass es nicht nur einem selbst in der Einsamkeit der Pandemie nicht gut geht und andere ebenso Ängste und Befürchtungen haben und diese aussprechen, schon viel bewirken kann.

SHP: Was war Ihre Erwartung als Schullehrerin, ggf. auch Klassenlehrerin, von den Workshops? Was könnte sich für SuS dadurch verändern – und hat es wirklich etwas bewirkt?

VSS: Ich spürte, dass manche SuS motivations- und ziellos wurden, keinen Sinn mehr in Anstrengungen für die Schule sahen, sogar ihren Schulbesuch abbrechen wollten. Bei anderen konnte ich beobachten, dass sie mit der Distance Learning Situation nicht mehr zurechtkamen, die sozialen Kontakte nicht mehr gewohnt waren und davon berichteten, dass sie zu Hause vereinsamten. Diese Alarmzeichen mussten ernst genommen werden. Daher waren meine Erwartungen an den Workshop, dass Änderung eintritt. Dass wieder mehr Motivation herrscht und Sinn im Lernen gesehen wird. Vor allem aber war mir wichtig, dass der soziale Bereich in dem die Jugendlichen agieren und das Miteinander gefördert werden, dass wieder miteinander gesprochen wird und man sich gegenseitig unterstützt. Denn genau dies ist wichtig.

SHP: Der Bundesverband für Psychotherapie, ÖBVP und viele andere sprechen sich offen für die Eingliederung der Schulpsychotherapie in die Schullandschaft aus – wie sehen Sie das?

VSS: Ich denke, es wäre ein sehr wichtiger und dringend notwendiger Schritt. Eine Wunschvorstellung wäre, dass es an jeder Schule Ansprechpartner gibt, die nicht erst angefordert werden müssen, sondern einfach da sind. Präsent und ohne große Hemmschwelle jeder hingehen kann. LuL sind keine ausgebildeten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und haben auch nicht die Ressourcen dafür. Es bedarf einer zusätzlichen Anlaufstelle vor Ort.

SHP: Wo liegen Ihrer Ansicht nach die Vorteile wenn direkt und vor Ort in der Schule eine professionelle Anlaufstelle gegeben ist? Und wer würde darüber hinaus davon profitieren bzw. das merken?

VSS: Wäre vor Ort eine professionelle Anlaufstelle, so wäre die Hürde, diese in Anspruch zu nehmen, geringer, es würden vielleicht viele Probleme, die Jugendliche haben, rascher angesprochen und eine entsprechende Hilfestellung gegeben werden. Das würde viele gravierendere Probleme, die Menschen oft ein Leben lang mit sich herumschleppen, abfedern. Es würde bewirken, dass man früher dagegen ankämpft, sich öffnen kann und sich helfen lässt. Das Problem von externen Beratungsstellen ist gerade im ländlichen Bereich oft, dass man weite Wege zurücklegen muss, man lange Wartezeiten für Termine hat, ….

SHP: Gibt oder gab es eine Überraschung hinsichtlich meines Workshops bzw Ihrer Auseinandersetzung mit dem Thema Schulpsychotherapie?

VSS: Wenn man es als Überraschung sieht, dass die SuS den Workshop sehr unterschiedlich, und durchwegs sehr positiv aufgenommen haben und diesen auch an ihre Mitschülerinnen und Mitschüler von sich aus weiterempfohlen haben, dann ja.

SHP: Wie hat sich Ihre fachliche oder persönliche Meinung zum Thema Coaching, Supervision & Psychotherapie verändert?

VSS: Ich begegne diesem Thema ohnehin sehr positiv aufgeschlossen und halte Coaching, Supervision und Psychotherapie für sehr wichtig, somit muss ich meine Meinung dahingehend nicht ändern. Ich denke aber, dass es guter, begabter PuP bedarf und sich nicht jeder/jede an diese Arbeit wagen darf. Diese Arbeit ist sehr sensibel und kann, falsch ausgeführt, fatale Konsequenzen haben, die eine Hilfestellung nicht ermöglicht.

SHP: Was möchten Sie uns Leser:innen hier noch mitgeben?

VSS: Ich kann nur sagen, dass ich diese Art an Unterstützung für sehr positiv halte, man keine „Schwäche“ zeigt, wenn man sich helfen lässt, sondern man „Stärke“ zeigt, wenn man bereit dazu ist, sich helfen zu lassen, wenn man das Gefühl hat, Hilfe zu benötigen.

SHP: Vielen Dank dass Sie sich die Zeit genommen haben um mit uns Ihre Erfahrungen & Eindrücke zu teilen!

MEHR ÜBER MAG.a VERENA SCHUSTER-SCHEDLBERGER

Verena Schuster-Schedlberger wurde 1972 in Oberösterreich geboren und studierte nach dem Besuch der Handelsakademie in Perg an der Johannes Kepler Universität Mathematik & Physik für das Lehramt. Nach dem Abschluss 1996 und dem Unterrichtspraktikum unterrichtete sie ab 1997 am Europagymnasium vom Guten Hirten in Baumgartenberg, einer neu gegründeten und innovativen Privatschule im Bezirk Perg. 2011 übernahm sie die Administration der Schule und wurde auch für zwei Jahre die Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft der Administratorinnen und Administratoren in Oberösterreich bevor sie seit August 2020 mit der Leitung des Europagymnasiums vom Guten Hirten betraut wurde. Privat lebt sie mit ihrem Mann und zwei Kindern (15 und 18 Jahre) in Bad Zell.

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