Uro- pssst!? Dürfen wir über Urologie & Sex reden?

Als Facharzt für Urologie sieht DDr. Özsoy vieles: Außergewöhnliches, das unsereins überrascht und ganz Gewöhnliches. Doch auch "Gewöhnliches" wird - für manche überraschend - immer noch stillschweigend und oft alleine von Betroffenen getragen. Ich lud DDr. Özsoy ein, ein paar Mythen & Missverständnisse aufzudecken und einen Weg aufzuzeigen, wie manches vielleicht leichter erträglich sein kann.

Interview mit Priv. Doz. DDr. med. Mehmet ÖzsoyPriv. Doz. DDr. med. Mehmet Özsoy Urologie Andrologie Psychotherapie Coaching Beratung

Facharzt für Urologie und Andrologie in 1150 Wien

SHP: Danke für das Einlassen auf dieses erste Gespräch. Welche Mythen oder Missverständnisse der Urologie gegenüber wollen Sie in ein anderes Licht rücken?

MÖ: Eines der größten Missverständnisse der Urologie ist wohl der Gedanke, dass dies ein Fachgebiet ausschließlich für Männer ist. Dem ist nicht so: Frauen haben ebenfalls Nieren/Nierensteine, eine Blase, Harnwegsinfektionen usw., die behandelt und untersucht werden müssen. Urologie ist für alle da.

Weitere Mythen, die ich gerne immer wieder ent-decke sind „Sex dauert oft stundenlang“ oder „große Füße oder Nase ist gleich großer Penis“. Diese können leicht aufgeklärt werden: Durch den einfachen Konsum von Pornos wird einem unermüdlich vorgegaukelt, in jeder Stellung und mehrmals hintereinander kopulieren zu können. Dies entspricht nicht der Wahrheit, da ein durchschnittlicher Liebesakt, laut Wissenschaft, bei Deutschen etwa 18 Minuten dauert. Die Größe des Penis steht auch in keinem Zusammenhang mit den Füßen oder Nase – das ist reine Fantasie.

Das Ammenmärchen, dass "liebestolle" Frauen eine nicht mehr ästhetisch schöne Scheide haben ist falsch, sogar das Gegenteil kann behauptet werden: Frauen die viel Geschlechtsverkehr haben trainieren damit auch die Vaginalmuskeln, welche wieder zu einer Straffung führen.

Schlussendlich möchte ich auch noch auf eines der größten Missverständnisse eingehen: der falsche Zusammenhang, dass eine vergrößerte Prostata ein höheres Krebsrisiko bedeutet. Dies kann ich widerlegen, da eine vom Arzt diagnostizierte Vergrößerung kein Grund zur Beunruhigung sein muss und in keinem Zusammenhang mit einem höheren Krebsrisiko steht.  

SHP: Neben den vielen organischen Ursachen, die Menschen zu Ihnen bringt: Welche psycho-sozialen Faktoren haben Ihrer Erfahrung nach eine Auswirkung auf Menschen, so dass sie einen Urologen aufsuchen?

MÖ: Es gibt zahlreiche Faktoren die man hier aufzählen kann, aber zu den häufigsten zählen Stress im beruflichen und privaten Umfeld, Konflikte in der Partnerschaft, Leistungsdruck und Versagensängste, Depressionen und/oder traumatische sexuelle Erfahrungen. Einer dieser Faktoren oder mehrere führen zu sexuellen Problemen und Erektionsstörungen. Dann wird meistens ein Facharzt aufgesucht.

Mythen Missverständnisse aufklären Psychotherapie Coaching Urologie Andrologie 1020 1150 WienSHP: Was würde Ihnen als Facharzt in der Behandlung Ihrer Patienten dabei helfen?

MÖ: Gute und professionelle Zusammenarbeit mit Expert*Innen anderer Fächer wie klinischen PsychologenInnen und PsychotherapeutInnen sowie ein guter Austausch. Somit kann der Patient bzw. die Patientin bestmöglich behandelt werden.

SHP: Welchen Einfluss hat Ihrer Meinung nach das Umfeld der Menschen, die zu Ihnen kommen? Wie kann das Umfeld etwas Positives oder Negatives beim Patienten erwirken?

MÖ: Jeder ist von seinem/ihrem Umfeld direkt oder indirekt beeinflusst. Wichtig ist, dass die Gesundheit des Patienten/Patientin im Vordergrund steht und der Heilungsprozess unterstützt wird.

SHP: Wie viele Ihrer Patienten bringen Probleme mit Sexualität bei Ihrer Konsultation auf und – nach der organischen Abklärung – wie hilfreich erleben Sie Psychotherapie oder Sexualtherapie zur Linderung dieses Leidensdrucks?

MÖ: Ich schätze ca. 30-40% der Patienten sind davon betroffen und kommen gezielt wegen sexuellen Problemen. Da viele Patienten/Patientinnen zu Beginn etwas schüchtern sind und Schamgefühl haben ist es in diesem Fall sehr wichtig als Arzt Empathie zu zeigen, Offenheit auszustrahlen und dem Menschen das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit zu geben. Der anfängliche Leidensdruck und die Unsicherheit können durch eine Therapie eventuell schon gelindert worden sein und somit kann bei einer Konsultation schneller auf das Problem eingegangen und die Behandlung begonnen werden.

SHP: Wie verändert sich Ihrer Erfahrung nach der Umgang mit dem Thema Sexualität mit den Jahren?

MÖ: Durch den andauernden Alltagsstress und die Routine neigen Menschen dazu immer weniger Lustgefühl zu haben. Schlechte Ernährung und Fettleibigkeit sind weitere Faktoren für einen erhöhten Libidoverlust, welche das sexuelle Verhalten einschränkt und beeinflusst. 

SHP: … und was kann Ihrer Meinung nach dabei behilflich sein?

MÖ: Die oben genannten Faktoren sollten geändert werden: Stressreduktion im Alltag hilft gleich in mehreren Punkten: die schlechte Ernährung – meist durch zu wenig Zeit – sollte umgestellt werden, es bleibt mehr Zeit für Sport und Bewegung und mit dem/der PartnerIn. Manchmal ist eine Paartherapie hilfreich, um das Thema Sexualität anzusprechen und bei Problemen zu helfen und zu begleiten.

Stress Überforderung Balance Worklife Gesundheit Psyche PsychotherapieSHP: Vorletzte Frage, krasser Themenwechsel – oder auch nicht. Wie hat sich Ihre fachliche oder persönliche Haltung gegenüber Psychotherapie im Laufe Ihres Lebens verändert?

MÖ: Meine persönliche Haltung hat sich mit den Jahren geändert: In jungen Jahren dachte ich, dass nur psychisch erkrankte Menschen in Psychotherapie gehen. Dieser Gedanke hat sich im Laufe der Zeit geändert und mich belehrt, dass jeder Mensch zu jederzeit eine Therapie machen kann und soll. Da geht es nicht nur um schwierige psychische Erkrankungen sondern auch um die Bewältigung des täglichen Lebens und Problemen aller Art. Gerade beim Thema Sexualität/ Partnerschaft bin ich der Meinung, dass eine Gesprächstherapie immer ein guter Schritt ist, um Probleme auf den Grund zu gehen.

SHP: Was möchten Sie unseren Leserinnen und Lesern heute noch mitgeben?

MÖ: Ich hoffe, dass einige Mythen und Missverständnis aufgeklärt werden konnten und der Weg zum Facharzt/ärztin nie erst der letzte Ausweg aus einem Problem ist, sondern immer als Unterstützung und Hilfe für einen selbst, sowohl psychisch als auch physisch, gesehen wird. Wir haben das Glück viele Fachgebiete kombinieren zu können und die Medizin entwickelt sich stetig weiter, sodass es jedem ermöglicht wird die Hilfe und Unterstützung zu bekommen, die für einen selbst am besten ist.

SHP: Vielen Dank dass Sie sich Zeit genommen haben und Ihre Erfahrungen und Einschätzungen mit uns geteilt haben!

MÖ: Sehr gerne, danke für das Interview und die Möglichkeit. Alles Gute und gesund bleiben.

MEHR ÜBER DDR. ÖZSOY:
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Dr. Özsoy wurde in Istanbul geboren und aufgewachsen. Nach seinem Universitätsabschluss in Humanmedizin ist er 2003 nach Wien ausgewandert.
Nach 4 Jahren Forschungstätigkeit begann er seine urologische Facharztausbildung an der MedUni Wien, welche er 2014 mit der Österreichischen Facharzt-prüfung für Urologie beendete. 2018 schloss er sein zweites Doktoratsstudium der angewandten Medizinischen Wissenschaft ab. Nach seiner langjährigen Tätigkeit als Stationsleitender Oberarzt an der Univ. Klinik für Urologie an der MedUni Wien gründete er das UROMED Kompetenz-Zentrum Urologie. Seit Juni 2020 freut er sich über seine neue Aufgabe als Vertragskassenarzt im UROMED, wo er eine optimale Versorgung seiner Patientinnen und Patienten erzielen möchte.

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