Beitrag Die Presse: "Geld in Beziehungen: Wer zahlt, schafft an?"

Sissy Rabl schreibt in der Serie: Gefühlssache in "Die Presse" zum Thema Geld in Beziehungen - und ich wurde um einen Beitrag gebeten. Lesen Sie den Artikel auch hier:

"Selbst gleichberechtigte Paare scheitern oft am Gespräch über die Finanzen. Dabei kann ein offenes Ohr - und ein Blick ins Haushaltsbuch - hier ermächtigend wirken. [...]"

kopiert von DIE PRESSE, LINK: https://www.diepresse.com/6087675/geld-in-beziehungen-wer-zahlt-schafft-an / veröffentlicht am 26.02.2022 - 09:02 von Sissy Rabl / zugegriffen am 27.01.2022 - 12:00 

 

"[...] Selbst gleichberechtigte Paare scheitern oft am Gespräch über die Finanzen. Dabei kann ein offenes Ohr - und ein Blick ins Haushaltsbuch - hier ermächtigend wirken.

Liebe lässt sich nicht mit Euro messen - und erst recht nicht mit ETFs oder Bitcoin. Geläufige Vorstellungen von Romantik blenden den Kontostand aus. Überhaupt haftete dem Gespräch über Geld und Gehalt lange etwas Ordinäres an, insbesondere im deutschsprachigen Raum. Arbeitnehmerinnen ziehen hieraus wenig Vorteil: es ließe sich wohl leichter verhandeln, wüsste man, was der Kollege oder die Kollegin verdient.

Auch in der Paarbeziehung kann das Gespräch über Geld ermächtigend sein, ein Schritt hin zu mehr Selbstbestimmtheit und Ausgewogenheit. Schließlich ist jede Beziehung ein Aushandeln von Zeit, die man sich füreinander nimmt, Gefühlen und Energie, die man investiert, und nicht zuletzt Machtverhältnissen, die man annimmt. Geld wird dabei zwangsläufig eine Rolle spielen.

Finanzen bei Kerzenschein

Umso früher man es zur Sprache bringt, desto besser, meinen deshalb Marielle und Michael Schäfer. Das Paar ist mittlerweile seit zwölf Jahren zusammen und spricht regelmäßig über Geld. Einmal im Monat ist sogar ein Finanzdate eingeplant. Da werfen sie gemeinsam einen Blick ins Haushaltsbuch, kontrollieren Einnahmen, Ausgaben, Investmentportfolios, Vermögensentwicklung und ihre „finanzielle Freiheit“ - also wie viele ihrer Ausgabe sie bereits durch passive Einnahmen außerhalb ihrer Gehälter decken können.

„Für uns ist es gar keine Option, diese Treffen einzustellen, es ist ultimativ beruhigend und motivierend, die gemeinsame Vermögensentwicklung genau im Blick zu haben“, sagt Marielle Schäfer. Unter dem Namen „Beziehungs-Investoren“ führt das Paar seit 2015 einen Blog zum Thema Finanzplanung als Paar, bietet Kinderfinanzkurse an und - in eigenen Worten - „empowert Paare dazu, selbstbestimmte Beziehungen“ zu führen. Besonders häufig kämen Paare zu ihnen, die eine gleichberechtigte Partnerschaft führen und wollen, dass das so bleibt. „Im Umkreis heiraten Paare, gründen Familien und auf einmal fällt man in alte Rollenstrukturen zurück“, zitiert Marielle ihre Kunden. Sie raten Paaren allgemein, das Gespräch übers Geld am besten gleich beim ersten Date zu führen - nämlich wenn es darum geht, wer zahlt.

„Die erste Frage muss lauten: Welchen Stellenwert hat Geld für mich, wofür steht es“, sagt Sophie Helbich-Poschacher, Psychotherapeutin in Ausbildung unter Supervision. In ihrer Praxis im zweiten Bezirk hat sich die systemische Familientherapeutin unter anderem auf Paartherapie spezialisiert. Geld sei zwar selten das Hauptmotiv eine gemeinsame Therapie zu starten, werde aber in Nebensätzen immer wieder zu Sprache gebracht.

Dabei stehe Geld meistens für andere Konflikte rund um Fairness, Freiheit und den Wert, der verschiedenen Tätigkeiten wie etwa Haus- oder Familienarbeit beigemessen wird. „Wir versuchen dann zuerst das Bild zu vergrößern, herauszufinden, wofür Geld für die und den Einzelnen steht. Geht es um ein Bedürfnis nach mehr Sicherheit oder Freiheit, geht es darum sich unabhängig zu fühlen oder will man mit dem Geld die eigene Familie versorgen können?“. Sei diese Frage erst einmal geklärt, ließe sich leichter und breiter über das Thema sprechen als nur über die Euro am Lohnzettel.

Selbstbestimmte Finanzen

Kritisch werde das Gespräch über die Finanzen spätestens bei der Familienplanung, sagt Marietta Babos, Gründerin der Finanzberatung Damensache. Denn genau hier öffne sich im klassischen Fall die Gehaltsschere und wirke sich bei heterosexuellen Paaren meist negativ auf die Frau aus. „Wenn sich die Frau um das Kind kümmert und länger zu Hause bleibt, ist sie mehrfach belastet: Ihre Pension wird geringer und das, obwohl sie statistisch länger leben wird als ihr Partner und sie lässt Gehaltssprünge aus.“ 

Deshalb rät sie dazu, alle gemeinsamen Kosten im Verhältnis zum jeweiligen Gehalt zu splitten oder überhaupt alle Einnahmen auf ein gemeinsames Konto einzuzahlen und nach Abzügen der Fixkosten gleichberechtigt auf die beiden Partner aufzuteilen. So kann jeder über sein eigenes Geld verfügen. Außerdem sei es besonders wichtig, noch vor dem ersten Kind insbesondere für die Frau etwa zehn Prozent ihres Gehaltes in die Altersvorsorge und weitere zehn Prozent in Aktiendepots oder Immobilien zu investieren. „Ich finde es gut, dass sich immer mehr junge Menschen und insbesondere Frauen mit ihren Finanzen auseinandersetzen. Zu viele Frauen sind betroffen von Altersarmut oder schlittern in die finanzielle Abhängigkeit von ihrem Partner“, sagt Babos.

„Beziehungs-Investoren“ Marielle und Michael Schäfer haben deshalb sowohl einzeln, als auch gemeinsam in Aktiendepots investiert. Außerdem haben sie die Elternzeit zu gleichen Teilen zu Hause verbracht. Danach sind beide mit jeweils 30 Stunden in die Arbeit zurückgekehrt. „Auf diese Weise verliert keiner von beiden den Anschluss in der Arbeit, beide haben wir von Gehaltssteigerungen und Beförderungssprüngen profitiert. Es war organisatorisch vielleicht mehr Aufwand für uns und unsere Arbeitgeber, aber es hat sich ausgezahlt“, sagt Michael.

Viel wichtiger als das konkrete Modell sei es allerdings offen zu kommunizieren. Als sich die beiden kennenlernten, lebte Michael von der Hand in den Mund, war selbstständig und eher verschwenderisch. Vom Sparen hielt er wenig und in seiner Familie hatte man sich auch nie aktiv über Finanzielles unterhalten. Marielle wiederum hatte bereits in der Kindheit Finanzbildung erfahren, war risikoavers und sparsam. Bei jedem Euro den sie ausgab, plagten sie Gewissensbisse. „In den ersten Jahren gab es öfter Punkte, wo wir dachte, es macht keinen Sinn zusammenzubleiben. Aber schließlich haben wir voneinander gelernt“, sagt sie.

Info

Beziehungs-Investoren: Marielle und Michael Schäfer, Blog und Beratung für Paare

Damensache: Marietta Babos, Altersvorsorge insbesondere für Frauen

Praxis im Zweiten: Sophie Helbich-Poschacher, Psychotherapeutin in Ausbildung unter Supervision, Systemische Familientherapie

Die Serie „Gefühlssache“ erscheint immer mittwochs und beschäftigt sich mit Themen rund um zwischenmenschliche Beziehungen, Sexualität und Selbstliebe. Geschrieben wird sie von Eva Dinnewitzer, Christine Mayrhofer und Sissy Rabl. Bei Fragen, Anmerkungen, Themenvorschlägen und Kritik schreiben Sie gerne an diese E-Mail-Adresse: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein."

Titelbild: aus dem verlinkten Originalartikel: von DIE PRESSE, LINK: https://www.diepresse.com/6087675/geld-in-beziehungen-wer-zahlt-schafft-an / veröffentlicht am 26.02.2022 - 09:02 von Sissy Rabl / zugegriffen am 27.01.2022 - 12:00